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Hintergrundbericht zu den Inhalten von "Sakrileg"

Woher weiß Dan Brown das alles?

Auf S. 347 gibt er seine wichtigste Quelle preis. Es ist ein Bestseller aus den 80'er Jahren "Der Heilige Gral und seine Erben" von Michael Baigent und Richard Leigh (verkaufte sich in Deutschland 150.000 mal). Baigent / Leigh, zwei ehemalige englische Fernsehjournalisten, sind der theologischen Fachwelt schon lange als Scharlatane der allerschlimmsten Sorte bekannt. Das Buch der "Heilige Gral" war in seinen Thesen so absurd (Jesus sei nicht am Kreuz gestorben; Heirat mit Maria Magdalena; Nachkommenschaft Jesu in Frankreich, u.a. S. 284 im "Heiligen Gral"), dass Wissenschaftler sich weigerten, überhaupt eine Buchbesprechung zu schreiben. Der Folgebestseller der Skandalautoren in Sachen "Heiliger Gral" trug den Titel "Das Vermächtnis des Messias" (über 40.000 mal bei uns verkauft). Hier erweiterten sie ihre These, dass die Handschriftenfunde am Toten Meer Geheimbotschaften über Jesus enthalten würden und dass sich in Frankreich Jesu angebliche Ur-Ur-Ur-...Urenkel in einer Geheimverschwörung auf die Übernahme der Weltherrschaft vorbereiten würden. Der künftige Herrscher Europas als "Blutsnachfahre Jesu" sei Otto von Habsburg...

"Der Heilige Gral" - die Hauptquelle für Dan Browns Thesen. Brown behauptet, die These vom "königlichen Geblüt Christi sei in der Gelehrtenwelt ausgiebig und bis ins letzte Detail untersucht worden" (S. 346). Dabei bezieht er sich vor allem auf diesen Titel. Von "Gelehrten" kann man bei den Autoren (zwei Fernsehjournalisten) beim besten Willen nicht sprechen. Das Buch ist so grotesk, dass Wissenschaftler sich weigerten auch nur eine Besprechung zu schreiben. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung veriss das Buch in einer Buchbesprechung ("Die schwierige Brautschau Jesu" FAZ, 27.9.1984, S. 28). Dennoch wurde es damals schon ein Bestseller (gelbes Cover). Nun hat der Lübbe-Verlag den Titel erneut aufgelegt mit verändertem schwarz-roten Cover (das Sakrileg-Cover lässt grüssen). Der Aufdruck "Ein Muss für die Leser von Dan Browns Sakrileg" war eine geschickte Marketing-Strategie. Das Buch erlebte von Oktober 2004 - Januar 2005 alleine 7 Auflagen und stürmte sofort in die Bestsellerlisten.

 Der weltweite Erfolg von "Der heilige Gral" führte zu dem Folgeband "Das Vermächtnis des Messias". Hier wurde die These der "Blutsnachkommenschaft" weiter ausgeschlachtet, wobei sie sich wiederum vor allem auf Robert Eisenman berufen, dessen unhaltbare Thesen zu den Qumranrollen von Fachwissenschaftler aus aller Welt widerlegt worden sind.

1992/93 landeten dann Baigent/Leigh den absoluten Weltbestseller mit ihrem Buch "Verschluss-Sache Jesus - Die Qumranrollen und die Wahrheit über das frühe Christentum", das alleine auf deutsch über 1 Million mal verkauft wurde und enorme Medienbeachtung fand. Wider besseren Wissens behaupteten die beiden Autoren, dass der Vatikan die Herausgabe der Qumranschriften verhindern würde, denn in den jüdischen Texten würde stehen, dass Jesus ein ganz normaler Mensch gewesen sei (auf diese völlig falschen Behauptungen bin ich ausführlich in meinem Buch "Faszination Qumran - Wissenschaftskrimi, Forscherstreit und wahre Bedeutung der Schriftrollen vom Toten Meer" [Berneck / Bielefeld 2. Auflage 1999] eingegangen, das über den Buchhandel bezogen werden kann - ISBN 3-89397-382-6).

  Den bisher grössten Erfolg feierten Baigent / Leigh mit ihrem Buch "Verschluss-Sache Jesus", indem sie dem Vatikan eine Geheimverschwörung in Sachen Qumranrollen vorwarfen. Die Schriftrollen vom Toten Meer würden Geheiminformationen über Jesus enthalten. Doch in Wahrheit stammen die Qumranschriften aus der Zeit vor Jesus und enthalten an keiner Stelle Informationen über Jesus. Eine "Verschluss-Sache" im Auftrag des Vatikan hat es auch nie gegeben, denn die Herausgabe der Qumranschriften erfolgte unter Aufsicht der Jordanischen und Israelischen Antikenverwaltung. Alle Qumrantexte sind heute veröffentlicht. Der Vatikan hatte mit der Edition der Texte nichts zu tun! Eine Entgegnung auf diesen Bestseller ist das Sachbuch "Faszination Qumran", das u.a. die grosse religionsgeschichtliche Bedeutung der Qumrantexte aufzeigt. Mit seltenem Bildmaterial aus den Archiven der direktbeteiligten Forscher werden alle Spekulationen um eine angebliche "Verschluß-Sache" widerlegt.

Dan Browns "Sakrileg" ist ein geschickter Mischmasch aus diesen Baigent/Leigh-Büchern. Dieselben falschen dümmlichen Behauptungen von Baigent/Leigh kann man hier fast wortgleich lesen. So, dass neben den Schriften aus Nag Hammadi die "Schriftrollen ... vom Toten Meer die frühesten Dokumente des Christentums" seien (S. 337) und: "natürlich hat der Vatikan in Fortsetzung seiner Tradition der Verschleierung und Informationsunterdrückung mit allen Mitteln versucht, die Veröffentlichung dieser Schriften zu verhindern" (S. 323). Hätte Brown nur ein einziges seriöses Fachbuch über die Qumranrollen gelesen, hätte er wissen müssen, dass die jüdischen Texte an keiner Stelle Jesus auch nur erwähnen, da sie überwiegend aus der Zeit vor Christus stammen. Auch der Vatikan hatte nachweislich nie etwas mit der Herausgabe der Qumranschriften zu tun, denn dies war und ist Sache der Israelischen Antikenverwaltung. Seit Nov. 2001 sind alle Texte wissenschaftlich ediert und jeder kann nun selber die Übersetzungen der Qumranschriften lesen und feststellen, dass dort keine Geheimbotschaften über Jesus und Maria enthalten sind. Die Qumranfunde sind die grösste archäologische Sensation, denn die einzigartigen Bibelfunde zeigen uns, wie hervorragend die Schriften des Alten Testaments überliefert worden sind. Einen wissenschaftlichen Editionsband der Qumrantexte wird Dan Brown allerdings noch nie in der Hand gehalten haben, denn sonst wären seine Behauptungen eine bewusste Irreführung seiner Leser.

 1947 entdeckte ein Beduine diese erste Höhle bei Qumran. Sieben Schriftrollenbündel fielen in seine Hände. Darunter die ältesten Bibelhandschriften der Welt. Der Pfeil zeigt den Originaleingang. Die Öffnung darunter haben sich die Beduinen angelegt, um die Höhle leichter ausplündern zu können.

 Der bedeutendste Fund in dieser Höhle waren zwei Abschriften des biblischen Prophetenbuches Jesaja. Im Bild: eine komplett erhaltene Jesaja-Rolle (1QJesA) von 175 v.Chr. (Datierung mit Hilfe des radioaktiven Carbontests). Die Handschrift enthält alle 66 Kapitel des bedeutenden alttestamentlichen Propheten vom ersten bis zum letzten Vers. Der Text wurde sorgfältig korrigiert. So könnte auch die Schriftrolle ausgesehen haben, aus der Jesus in der Synagoge von Nazareth vorgelesen hat (Lukas Kaiptel 4). Bis zu den Qumranfunden stammten die ältesten kompletten hebräischen Bibelhandschriften aus dem Mittelalter. Hier lag nun eine über 1000 Jahre ältere Abschrift vor. Zeitungen schrieben damals: "Wenn diese Handschrift ediert wird, dann wird das Christentum zusammenbrechen"; "Nun wird sich zeigen, dass die Bibel, ein Märchen-und Mythenbuch ist". Einige triumphierten, der Papst könne sich einen neuen Job suchen, denn mit der grossen Jesaja-Rolle vom Toten Meer stand die gesamte Bibelüberlieferung auf dem Prüfstand. Sollten sich grosse Abweichungen im Bibeltext nun nachweisen lassen, dann tauge das Buch der Bücher überhaupt nichts. Doch die wissenschaftliche Erforschung ergab ein völlig anderes Bild!

Foto: Prof. John C. Trever © Alexander Schick / www.bibelausstellung.de

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Ein Vergleich der Jesajarolle mit dem mittelalterlichen Bibeltext ergab als Ergebnis: "Hervorragend überliefert!" Bis auf bedeutungslose Kleinigkeiten stimmt der Text von Qumran mit den mittelalterlichen Handschriften überein.

Grafik: W.Bullinger © Alexander Schick / www.bibelausstellung.de

  Neben 10 mehr oder minder komplett erhaltenen Schriftrollen wurden die Reste von über 1000 antiken Rollen entdeckt, die in über 80.000 Fragmente zerfallen waren. Die Rekonstruktionsarbeiten haben ein z.T. ein ganzes Forscherleben gedauert. Seit 2001 sind alle Texte veröffentlicht. Es gibt keine Verschlusssache Jesus! Der Vatikan hatte keinerlei Einfluss auf die Veröffentlichung und Herausgabe der Qumrantexte.

Foto: Estate of John Allegro © Alexander Schick / www.bibelausstellung.de


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